Der
Tod hat die Menschen vor hundert Jahren oft genauso plötzlich und
unerwartet überrascht wie in unseren Tagen. Zum einen war die
Kindersterblichkeit ziemlich hoch, zum anderen überlebten Frauen oft nicht
die Geburt eines Kindes. Ein Teil der Männer opferte sein Leben für das
Vaterland. Aber auch in Friedenszeiten gab es im Alltag viele Unfälle, die
den Tod zur Folge hatten, weil medizinisch nicht mehr geholfen werden
konnte. Bei der täglichen Arbeit im Stall kamen Knechte und Bauern ums
Leben, wenn sie von einem Stier auf die Hörner genommen oder an die
Wand gedrückt wurden. Die Gefahr lauerte auch im Wald beim Bäume
fällen und abtransportieren der Stämme. Anfang des vergangenen
Jahrhunderts raubte auch die aufkommende Industrialisierung in der
Landwirtschaft und in den Betrieben so manches Menschenleben. Aus
Unkenntnis über die technischen Zusammenhänge und Arbeitsweisen forderte
die Elektrizität ihre Opfer aber auch die Kraft der Motoren löschte so
manches Menschenleben aus.
Die trauernden Angehörigen nahmen in den einzelnen
Epochen auf unterschiedliche Art und Weise Abschied von ihren Verwandten.
In den meisten Fällen wurde den lieben Verstorbenen ein würdevoller
Abschied zuteil.
Wir kennen heute das sogn. Sterbebild als Farbdruck und
mit einem Bild der/des Verstorbenen. Das gab es vor 100 Jahren auch schon,
allerdings in schwarz/weiß und ohne Foto. Dafür wurde das Sterbebild oft
mit Heiligenabbildungen gedruckt. In so manchen Familienalben finden sich
aber Ablichtungen, die einen Verstorbenen aufgebahrt und mit Blumen und
Zweigen geschmückt zeigen. Kerzen und Heiligenfiguren umrahmen die
Aufbahrung. Aus dem Nachlass von Luise Pöschl + 2003, Haimelkofen stammen
120 Glasplatten mit Farbnegativen von bester Qualität. Das überraschende
daran ist, dass sich unter den verschiedenen Aufnahmen von Ferdinand
Pöschl 20 Platten befinden, die verstorbene Personen aufgebahrt zeigen.
Dabei handelt es sich um ältere Menschen, aber auch erstaunlich viele
Frauen und Kinder sind auf Emulsionsplatten verewigt. In einem Fall ist
sogar die Mutter mit ihrem Neugeborenen abgelichtet. Die Fotos sind alle
in den Jahren 1909 bis 1914 entstanden und von hervorragender Qualität. In
einer Zeit, in der Fotos teuer waren und eine absolute Rarität
darstellten, legten die Angehörigen großen Wert darauf, von den
Verstorbenen ein letztes Bild zu haben. Zu diesem Zweck wurden dem
Verstorbenen die schönsten und besten Kleider angelegt und die Aufbahrung
mit einer würdevollen Gestaltung umrahmt um ein letztes Foto zu erhalten.
Aus dem Jahr 1953 sind "Trostesworte am Grabe der
ehrengeachteten Frau Anna Fuß, Bäuerin von Osterham" überliefert. Es
handelt sich dabei um ein 8seitiges Schriftstück im Format DIN A 5. Der
damalige Priester hat eine Trauerrede verfasst, die sehr persönlich war
und am Grabe der Verstorbenen vorgetragen wurde. Nach der Beerdigung
wurden die "Trostesworte" gedruckt und den Verwandten und Freunden
ausgehändigt.
Der Pfarrer schildert in seiner wohlformulierten
Ansprache den Lebensweg der verstorbenen Bäuerin. Beeindruckend sind die
Details und die Anteilnahme, die der Geistliche dem Leser auch noch nach
vielen Jahren vermitteln kann. Der Pfarrer schildert in dem Schriftstück
das Leben der jungen Ehefrau und Mutter sehr genau. In der ergreifenden
Zusammenstellung lobt er die fleißige Bäuerin und schildert ihr Tagwerk.
Man kann auch erkennen, wie nahe der Priester der Familie stand, denn für
die Hinterbliebenen suchte er nach Worten des Trostes. Seine Anteilnahme
galt vor allem den 5 kleinen Kindern, die ihre Mutter viel zu früh
verloren hatten.
Christliche
Trauerversammlung!
Als am vergangenen Samstag
nachmittags 1/2 2 Uhr das Sterbeglöcklein unserer Pfarrkirche läutete, da
vermutete außer der kleinen Schar der Wissenden wohl niemand, daß die Töne
der Totenglocke das Ende eine Menschenlebens betrauerten, das noch im
schönsten Alter und in der Vollkraft der Jahre war. Da hat wohl niemand
vermutet, daß die ehrengeachtete Frau Anna Fuß, Bauersgattin von Osterham,
gestorben ist. Denn wer hätte an sie gedacht, da sie am Vormittag noch in
Hofkirchen gewesen war, um in gewohnter Weise die notwendigen Geschäfte zu
besorgen. So wurde sie buchstäblich mitten aus ihrer so vielen Arbeit vom
Tode weggeholt, um aus ihrer rastlosen Sorge heraus zur ewigen Ruhe
gebettet zu werden. Die Lücke, welche der Tod in die Familie gerissen, ist
um so größer, und die Wunde, die er geschlagen, ist um so schmerzlicher,
da ihre lieben Angehörigen wirklich in tiefster Wehmut mit dem Dulder Job
sprechen müssen: „Schwer hat uns getroffen die Hand des Herrn”.
Erst vor nahezu 40 Jahren, am 7. November 1913, erblickte die teure
Verstorbene in Obersanding als Tochter der Bauerseheleute Franz Xaver und
Maria Obermeier das Licht der Welt. Als ihre Eltern das dortige Anwesen
verkauften, kam sie mit ihnen 1926 nach Leitersdorf, wo die Familie
Obermeier durch den Erwerb ihres jetzigen Besitzes eine neue Heimat
begründete. Es war ein frohgemutes und fleißiges Schaffen, das geheiligt
ward durch das Familiengebet und durch gewissenhafte Sonntagsheiligung.
Ihre guten Eigenschaften der Arbeitsamkeit und Häuslichkeit, der
Religiosität und Sittsamkeit gaben ihr Ansehen und machten sie
empfehlenswert, so das sie am 8. Juli 1939 dem Bauerssohn Josef Fuß von
Osterham die Hand zum hl. Ehebund reichen konnte. Die Hoffnungen, die man
auf eine junge Bauersfrau setzt, erfüllte sie voll und ganz. Sie war ihrem
Gatten mehr als die Gefährtin, sie war ihm im vollsten Sinne die Gehilfin
des Lebens, wie es im Schöpfungsbericht der ersten Frau auf Erden heißt.
In ihrem kurzen Eheleben hat sie durchgekostet, wie schwer und opfervoll
das Leben einer guten Bauersfrau und Mutter ist. Denn die Sorge um ihre
Familie, um Haus und Hof machte ihr die Krankheit des Herzens, an der sie
schon feit längerem gelitten, besonders schwer, eine gute Mutter denkt ja
zuerst an ihre Kinder, an ihren Gatten und zuletzt erst an sich. Sie hört
die Klagen ihres Gatten, die Seufzer ihres Vaters, das Weinen ihrer
Kinder. Ja, "schwer hat uns getroffen die Hand des Herrn".
Wenn
die treuen Augen der Gattin für immer geschlossen, wenn die fleißigen
Hände erkaltet sind, wenn das liebende Herz stille steht, wahrhaftig: dann
fühlt es der Gatte am tiefsten, wie schwer ihn getroffen die Hand des
Herrn. Die Gehilfin ist von seiner Seite gerissen, die allzeit in
unverdrossener Liebe und Treue an seiner Seite gearbeitet und sich gemüht
hat, die den Frieden des Hauses als kostbarstes Gut gewahrt hat. Wenn der
betagte Vater seine Tochter, umringt von weinenden Kindern, im
Leichenkleid sieht, dann entringt sich seinem betrübten Herzen der
Seufzer: „Schwer hat mich getroffen die Hand des Herrn”.
Wie konnte er sich freuen, wenigstens Sonntags mit seiner Tochter zusammen
zu kommen, wenn sie in löblicher Gewohnheit nach dem Gottesdienste am
Grabe der Mutter gebetet hatten und dann ihre Erlebnisse austauschten. Wie
gern ging er zu ihr des Sonntags Nachmittag. Es war ja das so schön, daß
sie durch ihre Verheiratung nicht weit von ihm getrennt war. Ein
herzliches Familienverhältnis, das über viele Schwierigkeiten hinweghilft
und neue Kraft, immer wieder verleiht. Wie ist es jetzt so schmerzlich
vernichtet. Und was soll ich sagen von den Kindern, die noch gar nicht
ermessen können, welch bittres Los und welch schwerer Schlag sie getroffen
hat?. Ihr Weinen kündet uns schmerzlich genug: „o wie schwer hat gerade
die Kinder getroffen die Hand des Herrn?”, der ihnen, nach menschlichem
Ermessen ach allzufrüh die Mutter entrissen hat! Fünf Kinder hinterläßt
sie der Obsorge ihres Gatten. Es war wirklich herzzerreißend, die 5 Kinder
mit ihren Kinderstimmen am Totenbett ihrer so schnell verstorbenen Mutter
beten zu hören. 5 Kinder, deren Erziehung sie in vorbildlicher Weise
leitete und ausübte nach dem altbewährten Grundsatz: Bet' und arbeit' !
Schon von klein auf hat sie ihre Kinder, wie sie es selbst von ihrer guten
Mutter erlebt hatte, das Beten gelehrt. Wie hat sie ihre Kinder eifrig zum
Besuch der hl. Messe und der Andachten angehalten! Trotz der Überfülle
ihrer Arbeit war sie selbst immer rechtzeitig in der hl. Messe in der
Kirche und auch fleißig bei der Sonntag-Nachmittag- oder Abendandacht !
Wie hat sie ihre Kinder angehalten zum fleißigen Lernen in der Schule und,
soweit es schon möglich war, zum tüchtigen zugreifen bei der Arbeit !
Darum: den größten Verlust haben heute die Kinder zu beklagen. Doch auch
eine tote Mutter vergißt und verläßt ihre Kinder nicht. Sie wird ihnen vom
Himmel aus zur Hilfe sein durch das Gebet am Throne des allmächtigen und
allgütigen Gottes. Wenn ihr Kinder größer werdet und Gefahren und
Versuchungen des Lebens euch drohen und umgeben, dann soll das
ehrfurchtgebietende Bild eurer guten Mutter vor euch stehen und der
Gedanke blitzartig eure Seele erleuchten: was würde meine Mutter dazu
sagen?
Ihr anderen dankt Gott für das Glück, die Eltern noch zu besitzen! Ehrt
und liebt sie und seid untertänig wie Christus untertänig war! Denn das
ist wohlgefällig ! Und allen Eltern rufe ich zu:„Habet acht auf eure
Kinder, führt sie durch Wort und Beispiel zum Herzen Jesu ! Ihr müßt
einmal Rechenschaft geben, wie ihr eure Kinder erzogen habt. Erziehet sie
in der Furcht des Herrn”, auf das sie einstmals Tränen der Dankbarkeit auf
eurem Grabe euch nachweinen und euer Andenken segnen. Uns alle aber mahnt
dieses Grab: der Tod kommt oft rasch und unerwartet. „Seid allezeit
bereit”, sagt der Herr. Sind wir immer so bereit, das wir den Tod nicht zu
fürchten brauchen, auch dann, wenn er so unerwartet und schnell zu uns
kommt und uns in die Ewigkeit abruft, wie er die teure Verstorbe in die
Ewigkeit gerufen hat ? Selig sind wir, wenn wir allezeit bereit sind, auch
wenn kein Priester vor dem Sterben zu uns kommt. Laßt uns beten für die
Seelenruhe der teuren Verstorben, das sie den Ort der Erquickung und des
Friedens in ewiger Seligkeit bei den Engeln und Heiligen, bei Gott selbst
finden möge! Amen.
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